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exi(s)t

Das aus vier Bildtafeln bestehende Werk exi[s]t von Ivana Gillé ist durch den christlich-religiösen Paradiesmythos inspiriert. Die „Sünde“ prägt als archetypisches Muster des Unbewussten die heute noch wirksamen Moralvorstellungen. Der Ungehorsam gegenüber einer (männlichen) Autorität und die Weigerung, in Unmündigkeit und Abhängigkeit zu verharren werden bestraft. Scham und Schuldgefühle, die gefühlte Ablehnung des eigenen Selbst durch die Anderen, sind die eigentlichen Determinanten der Unfreiheit. Das Paradies existiert nicht und wenn wir es denken, kann es nur als Gefängnis gedacht werden.
Mit exi[s]t entwirft Gillé das Bild eines Möglichkeitsraumes aus Lust, Wahrheit, Stolz und Begehren als Elemente der Freiheit.
Die Fotografien ihres Körpers, die sie mit einer automatisch auslösenden Kamera aufgenommen hat, arrangiert Gillé zusammen mit Textfragmenten zu Bildtafeln, die sich der Ordnung der ästhetisierenden Aktfotografie genauso widersetzen, wie der Ordnung der Pornographie.

Hierin liegt die subversive Kraft ihres Werkes. Ihr offensiver Exhibitionismus hindert den Betrachter daran, die Rolle des Voyeurs einzunehmen und sich so der Auseinandersetzung mit einer selbstbestimmten, machtvollen und stolzen Nacktheit zu verweigern. Die Einzelbilder, die teils an Skulpturen, aber auch an Tanzfiguren erinnern, sind Material für ein Kaleidoskop der Lüste. Der Körper ist Ursprung und Träger einer Revolte, die sich der normierenden, anpassenden, unterwerfenden Ordnung widersetzt.